Interview mit Maria Regina Kaiser – Die Tochter Ägyptens

»Nachgefragt bei unserer Autorin Maria Regina Kaiser: Ihr historischer Roman DIE TOCHTER ÄGYPTENS rückt eine vergessene Figur in der Geschichte der Antike in den Mittelpunkt des Geschehens: Arsinoë IV., Schwester Kleopatras. Wie würden Sie die Dynamik zwischen Arsinoë und Kleopatra in Ihrem Roman beschreiben? «

Maria Regina Kaiser: »Die königlichen Familienverhältnisse in Ägypten dürfen wir uns nicht so wie in London unter Queen Elizabeth II. oder King Charles III. vorstellen. Der Mord von Geschwistern, Ehefrauen und weiteren Familienangehörigen gehörte zum politischen Tagesgeschäft. Die älteste Schwester Kleopatras hatte den eigenen Vater Ptolemaios Auletes mit den jüngeren Kindern, seinen Frauen und dem Hofstaat aus Ägypten vertrieben. Kleopatra war damals zwölf Jahre alt und musste um ihr Leben zittern. Als ihr Vater schließlich mit Hilfe Roms nach Alexandria zurückkehrte, ließ er die aufständische Tochter hinrichten. Kleopatra wurde mit dem jüngeren Bruder verheiratet.

Nach dem Tod des Vaters bekämpfte sich das königliche Ehepaar, Kleopatra musste flüchten und rief den römischen Feldherrn Julius Caesar im Kampf gegen den Bruder zu Hilfe. Im folgenden ägyptischen Bürgerkrieg kam dieser junge Mann ums Leben. Caesar setzte Kleopatra als Königin Ägyptens ein, wurde aber von der jüngeren Schwester Arsinoë und ihrem Erzieher mit dem ägyptischen Heer in einen weiteren Krieg verwickelt. Arsinoë wollte ein ägyptisches Reich ohne Abhängigkeit von Rom kreieren. Die Schwestern waren Gegnerinnen. Es ging um Leben und Tod und die Herrschaft über Ägypten. Mehr sei hier nicht verraten – wie diese Geschichte ausging, davon handelt mein Roman.«

»Maria Regina Kaisers Roman DIE TOCHTER ÄGYPTENS erzählt die Geschichte von Kleopatras Schwester, ihr zweiter Ägyptenroman DIE ERBIN DER PHARAONEN von ihrer Tochter Berenike. Wo bewegt sich die Autorin zwischen überlieferten Fakten und Fiktion? «

Maria Regina Kaiser: »Eigentlich wollte ich gar nichts erfinden – zunächst habe ich versucht, für meinen Roman DIE TOCHTER ÄGYPTENS so viel wie möglich über Arsinoë und ihr Umfeld zu recherchieren. Je tiefer man einsteigt, je näher man an die Protagonisten und auch die Nebenfiguren herangeht, desto deutlicher sieht man sie vor sich. Sie fangen an zu sprechen, sich zu bewegen, sie erklären, warum sie so oder so gehandelt haben. Arsinoë existierte wirklich und ebenso die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben, der Eunuch Ganymedes und der Feldherrn Achillas. Für Berenike, die Tochter Kleopatras, hingegen gibt es nur einen kleinen Hinweis bei Cicero, der über ein Unglück im Zusammenhang mit einer Geburt Kleopatras nach der Ermordung Caesars spöttelt. Sie habe ich in das gut erforschte Umfeld hineingesetzt. Es ging mir in DIE ERBIN DER PHARAONEN um die Auseinandersetzung mit dem Eroberer Caesar, ihrem Vater, und den Anfängen des römischen Imperiums.«

»Wir haben für euch unsere Autorin Maria Regina Kaiser interviewt, die in ihren historischen Romanen berühmte Schauplätze wie Alexandria und das alte Rom zum Leben erweckt: Was macht Ägypten und Rom für sie als Autorin so faszinierend?«

Maria Regina Kaiser: »Mein Vater war Latein- und Griechischlehrer. Er las mir, als ich Kind war, keine Märchen vor, sondern aus Homers Odyssee. Die Geschichte, wie Odysseus sich aus der Höhle des Polyphem hinausschmuggelte und dabei: ›Ich bin niemand‹, rief, war die beste von allen. Übergangslos erzählte er dann von den Skorpionen und Schlangen, die ihn als jungen Soldaten während Rommels Afrikafeldzug geplagt hatten irgendwo in der ägyptischen Wüste. Ägypten war mein frühester Sehnsuchtsort. Wohl kaum ein anderes Land verkörpert den Gegensatz zwischen Tod und Leben, zwischen felsiger Wüste und fruchtbarer Ebene, so wie das Land der Pharaonen. Und dann natürlich Rom, die einstige Weltstadt, in der die Antike heute noch mit Händen zu greifen ist. Die Katakomben, das Kolosseum, der Palatin, der Tiber, die sieben Hügel alles ist noch da. Angeblich erscheint der ermordete Kaiser Commodus dem Wachpersonal des Kolosseums nachts als Gespenst, was mich überhaupt nicht wundert. Als ich 1975 zum ersten Mal nach Rom kam, war es, als käme ich zu Hause an.«

»Neugierig nachgefragt bei Maria Regina Kaiser, der Autorin des opulenten Historienromans DIE TOCHTER ÄGYPTENS: Was hätten Sie gerne selbst vor Ort in der Antike erlebt?«

Maria Regina Kaiser: »Ich bin in Trier geboren und habe dort die ersten vier Jahre meines Lebens verbracht. Wir wohnten dem Dom gegenüber und der Weg zum Spielplatz führte an der Konstantinsbasilika vorbei. Ein Stück weiter stand die Porta Nigra, das römische Stadttor. Im Keller unseres Hauses befanden sich Reste von Kaiser Konstantins Palast – gleich neben Kartoffeln und Einmachgläsern begann die Antike. Latein in der Schule war leider eine sehr blutleere Sache. Mehr als die Sprache hat mich immer interessiert, wie die Menschen damals gelebt, was sie gegessen, gearbeitet, gedacht und gefürchtet haben.

Deshalb: In Alexandria zur Zeit der Ptolemäerkönige hätte ich gerne gelebt! Als Buchhändlerin und Dichterin, die Papyrusrollen für die Bibliothek vermittelte und abends auf der Terrasse mit den Wissenschaftlern, Dichtern und Bibliothekaren Wein trank, während auf dem Grill kleine Fische und knackige Würstchen schmorten …«

Das Gespräch führte Frederik Bahr aus dem dotbooks-Lektorat.

Maria Regina Kaiser wurde 1952 in Trier geboren. Nach ihrem Studium der Alten Geschichte, Archäologie und Hispanistik war sie zunächst in der universitären Forschung tätig, bevor sie sich als freie Autorin und Lektorin selbstständig machte. Sie verfasste zahlreiche Bücher über große Persönlichkeiten der Geschichte und erhielt für ihre Romane eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen. Maria Regina Kaiser lebt mit Hund und Familie bei Frankfurt. Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre historischen Romane DIE TOCHTER ÄGYPTENS und DIE ERBIN DER PHARAONEN.

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